Eine große Erleichterung
Vor kurzem hat mir ein junger Mensch geschrieben:
"Wenn ich einen Fehler mache würde ich gerne die Zeit zurückdrehen und es ungeschehen machen. :( Doch das ist nicht möglich... Also wenn ich etwas mache das nicht in Ordnung ist plagt mich mein schlechtes Gewissen ein Leben lang wenn ich nur daran denke... Darum hoffe ich in Zukunft keine Fehler mehr unbewusst/bewusst zu machen..."
Was ist richtig, was ist falsch?
Täglich werden wir mit der Frage konfrontiert, was ist richtig? Was ist falsch? Auch in den heutigen Schriftlesungen wird dieses urmenschliche Thema beleuchtet.
Die Lüge nimmt ein Stück von der Wahrheit und übertreibt
Die Lüge nimmt ein Stück von der Wahrheit und übertreibt: "Ist es wahr, dass ihr von KEINEM Baum essen dürft?" Die Lüge will uns einreden, dass wir zu kurz kommen, dass uns etwas vorenthalten wird und dass wir dafür kämpfen müssen.
Die Lüge erwischt uns bei unseren Schwachstellen. Erst nachdem Jesus nach 40 Tagen in der Wüste schon vor Hunger geschwächt ist, wird er in Versuchung geführt. Und das schlimmste, er wird sogar mit Bibelzitaten in Versuchung geführt. Die Lüge nimmt sich etwas vom Guten und verdreht es für ihre Zwecke.
Aber wie können wir jetzt die Lüge aufdecken, wenn sie sich so geschickt tarnt?
In der kirchlichen Tradition sprechen wir von der Gabe der Unterscheidung der Geister. Die Jesuiten sind darin sehr gut und ich habe einige Regeln mitgebracht, die sie aufgeschrieben haben.
Vielleicht können sie ja auch für euch eine Hilfe sein:
Auf den Geist Gottes lässt sich in der Regel schließen:
1. Wenn mir für ein Vorhaben gute Motive zur Verfügung stehen.
2. Wenn mir auch die nötige Zeit und Kraft dafür gegeben sind.
3. Wenn sich etwas gut einfügt in den Rahmen meiner anderen Aufgaben.
4. Wenn sich mir etwas "wie von selbst" nahelegt.
5. Wenn ich bei der Erwägung eines Vorhabens ein "gutes Gefühl" habe, auch wenn das Vorhaben schmerzlich und hart für mich ist.
6. Wenn die betreffende Sache auch ästhetisch schön und ansprechend ist. (Sich sozusagen schön machen für Gott, wie z.b. die Freundin für den Freund.)
7. Wenn ich mir gut vorstellen kann, dass auch Jesus so entscheiden und handeln würde.
8. Wenn ich mich bei dem Vorhaben "in guter Gesellschaft" befinde.
9. Wenn ein Vorhaben in mir Glauben, Vertrauen und Freude hervorruft.
10. Wenn es der Liebe dient, sie ausdrückt und stärkt.
Gegen den Willen Gottes ist ein Vorhaben in der Regel dann:
1. Wenn etwas über meine Kräfte geht und mich permanent überlastet.
2. Wenn etwas nur mit äußerster Anstrengung, mit Gewalt und mit Krampf verwirklicht werden kann, mit Hast und Hektik verbunden ist und Ängste auslöst.
3. Was maßlos und verstiegen anmutet, aufsehenerregend und sensationell auf mich und andere wirkt.
4. Was ich nur mit dauerndem Widerwillen und Ekel tun kann.
5. Was sich ordinär, primitiv und unästhetisch gibt.
6. Was kleinlich, haarspalterisch und abgehoben wirkt.
7. Was keine Bodenhaftung hat und nicht konkret werden kann.
8. Was lieblos ist und sich für mich und andere destruktiv auswirkt.
9. Was nicht zu der Art und Handlungsweise Jesu passt, wie ich ihn kennengelernt habe.
10. Was mir den Sinn für das Gebet und die Freude daran raubt.
Ich glaube, das sind zumindest gute Hinweisschilder, die die Lüge entlarven können. Wir können in schwierigen Situationen kurz innehalten und im Stillen beten: Gott, bitte hilf mir, die Situation richtig einzuschätzen. Erfülle mich mit deinem heiligen Geist und schenk mir die Gabe der Unterscheidung der Geister. Mir hilft das oft sehr.
Aber das heißt noch lange nicht, dass wir, wenn wir diesen Hinweisschildern der Unterscheidung folgen, nie mehr in schwierige Situationen und in Spannungen geraten. Das ist für jemanden wie mich oder viele andere Christen, die sehr harmoniebedürftig sind erstmal keine gute Nachricht.
Es geht nicht darum, keine Fehler zu machen
"Darum hoffe ich in Zukunft keine Fehler mehr unbewusst/bewusst zu machen..." hat mir das junge Mädchen geschrieben. Das klingt nach einem guten Vorsatz, aber nachdem wir alle Menschen sind, die nicht perfekt sind, wird sie wahrscheinlich daran scheitern und dann vielleicht noch mehr schlechtes Gewissen haben... Aber was ist dann die Lösung?
Zu mir hat ein Priester einmal etwas gesagt, das mir sehr weitergeholfen hat: Schwächen und Fehler sind wie Risse in einem Gefäß. Durch diese Risse kann Gott durchscheinen. Solange ich perfekt bin, solange das Gefäß rundherum dicht und zu ist, kann nichts heraus und hinein dringen. Aber durch diese Risse will Gott mit seinem Licht durchscheinen. Und es geht ihm nicht in erster Linie darum, die Schwächen zum Guten zu wandeln, sondern die Schwächen - diese Risse - zu nutzen, um mir zu begegnen. Der Priester meinte, es ginge nicht darum, keine Kämpfe zu haben, keine Versuchungen, so wie wir heute von Jesus in der Wüste gehört haben, sondern es ginge darum, dass Gott uns genau darin begegnen will. Die Frage ist nur, ob wir diese Begegnung zulassen, oder ob wir meinen, dass wir den Kampf alleine bestehen müssen. Gott will uns mitten in solchen Spannungen und solchen Unsicherheiten, wie wir uns entscheiden sollen, sagen: "Ich bin da und ich habe schon gesiegt. Deine Sünde gehört nicht mehr dir. Ich habe sie mit ans Kreuz genommen. Sie gehört mir. Du brauchst nicht mehr mit deinem Gedanken um sie kreisen. Du brauchst ihr keine Aufmerksamkeit mehr zu geben. Aber dafür lade ich dich ein, deine ganze Aufmerksamkeit auf mich zu richten."
Und er lädt uns ein, die Spannungen des Lebens mutig auszuhalten und nicht davor zurück zu schrecken. Oft können wir einfach durch unser Dasein ein Zeugnis der Liebe sein.
Eine große Erleichterung
Unser Handeln und Dasein hat Auswirkungen das gilt für Adam und Jesus im Großen, das gilt aber auch für uns im Kleinen: "Wie durch den Ungehorsam des einen Menschen die vielen zu Sündern wurden, so werden auch durch den Gehorsam des einen die vielen zu Gerechten gemacht werden." (Römer 5,19)
Sagt Paulus im Brief an die Römer. Oder um es noch mal in den Worten des Mädchens auszudrücken:
"Wenn mir jemand verzeihen kann durchströmt mich erst einmal Erleichterung..."
Elfriede Demml